Karten und Fotos


Montag 19.08.2002 - Tag 1

(08:00 Uhr) Gestern ging’s also los. Gegen 12:00 Uhr war alles gepackt, die Tiere versorgt, letzte Anrufe getätigt, und wir machten uns auf nach Cuxhaven. Das Schiff sollte zwar erst um 18:00 Uhr ablegen, aber wir haben bei solchen Gelegenheiten gern ein wenig Reserve im Gepäck. Nicht im Gepäck hatten wir allerdings unsere leichten, dreibeinigen Hocker, wie wir dann in Cuxhaven feststellen mussten. Nun ja, nicht so schlimm, auch ein Jacques kann beim Einpacken mal etwas vergessen.

Der Warteplatz vor der Fähre war leider eine ziemliche Zumutung. Kein Schutz vor der Sonne, keine Sitzgelegenheiten, kein Kiosk, nicht mal Papierkörbe, und nur zwei Mietklo-Kabinen. Nachdem wir endlich an Bord waren und den Roller gründlich vertäut hatten (ich konnte Jacques davon überzeugen, dass es nicht gut ist den Absperrhahn von irgendwas am Schiff zum Befestigen eines Spannseils zu benutzen) irrten wir schwer beladen durch die Gänge. Unsere Schlafsessel hatten zwar Nummern, aber die Angabe von Deck und Raum war auf der Boarding Card nicht vorgesehen. Mit einem gutgekühlen Guinness entschädigte ich mich für meine ausgeleierten Arme. Nachdem wir uns in einem der Bordkinos mit Starwars - Episode 2 ein wenig die Zeit vertrieben und anschließend zuviel Geld für ein lausiges Sandwich aus der Cafeteria ausgegeben hatten, fühlen wir uns müde genug, um uns unsere Schlafplätze anzutun.

Die Schlafsessel selbst sind nämlich grausam. Man kann darauf ruhen, aber anständig drauf schlafen kann keiner. So legten wir uns, wie die meisten Reisenden, nachts um die dann störenden Sessel herum auf den Fussboden. Entsprechend gerädert wachten wir heute morgen auf. Im Moment sitzen wir an Fensterplätzen in der Cafeteria und blicken durch die beschlagenen Scheiben auf den Morgennebel. Das Wetter ist bedeckt, mit gelegentlichen Regenschauern durchsetzt, und ab und zu zeigt sich ein Fetzen blauer Himmel. Jacques meint gerade augenzwinkernd zu mir, es sei “wenig erheiternd”. Ich gähne vor mich hin und versuche so zu tun als sei ich wach.

(16:00 Uhr) Gerade sind wir in Bedford angekommen, nachdem wir uns mehrmals grandios verfahren haben. Teilweise lag das an den gewöhnungsbedürftigen Beschilderungen hier, teils an Kommunikationsproblemen, und ein wenig auch daran dass die Nummerierung der Straßen nicht immer der auf der Karte entspricht. Nun ja, was soll’s, wir sind nicht unterwegs um Stress zu haben, also machen wir uns auch keinen.

Unterwegs haben wir zufällig registriert, dass heute unser Hochzeitstag ist. Am 19.08.94 war es, dass wir uns das Ja-Wort gegeben haben, heute vor 8 Jahren. Und wieder mal hätten wir es beide fast verpennt. Mal schauen, wie wir das heute Abend feiern können, und wo. Weit wollen wir heute nicht mehr fahren, generelle Richtung wird Osten/Nordwesten sein. Inzwischen ist Jacques losgegangen um ein paar Kleinigkeiten einzukaufen, und ich passe auf unser Gepäck auf. Neben mir sitzt ein britischer Biker, der gleich mit mir plaudern wollte, ob wir schon weit gefahren seien, wo es hingehen solle, dass das Wetter ungewöhnlich gut sei, dass die Überschwemmungen in Ostdeutschland wirklich eine furchtbare Sache wären, und was für einen Hubraum unser Roller denn habe… und jetzt kommt Jacques auch schon zurück: alle möglichen Läden gäbe es hier, bloss keine mit Lebensmitteln. Tja, Pech. Vielleicht finden wir unterwegs noch was.

(20:00 Uhr) Inzwischen sind wir auf dem Billing Aquadrome, einem Campingplatz in der Nähe von Northhampton untergekommen. Ausgeschildert war der nicht, noch nicht mal direkt am Eingang. Das war nach jahrelanger Campingerfahrung das erste mal, dass ich in das Anmeldebüro eines Campingplatzes gestiefelt bin um zu fragen, ob es hier in der Nähe wohl einen Camping geben würde, auf der Karte sei der eingezeichnet… Der Platz ist trotz bestem Campingwetters fast leer, nur wenige Familien sind mit ihren Kindern hier. Die Übernachtung kostet uns 13 Pfund. Warme Duschen sind kostenlos. Auffällig erscheint mir, dass auf diesem Platz rein männliche und rein weibliche Reisegesellschaften nicht akzeptiert werden.

Jacques liegt müde im Zelt, der erste Tag Linksverkehr war wohl recht stressig und anstrengend für ihn. Und ich hab mich zum Tippen vor’s Zelt gesetzt, beobachte die unbeschwert lachenden Kinder, die zwischen den Zelten ihrer Familien herumtollen - und muss an die Leute in Ostdeutschland denken, an die Zeltstädte dort, die alles andere als Urlaubsunterkünfte sind, und an einen Bekannten, der nach Dresden gefahren ist um dort seinen Verwandten beizustehen.


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